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Rede der Landrätin Karin Harms

"Wir leben ja in einer großartigen Zeit. Es gibt keinen Krieg in Europa, und wir können bei einem netten Italiener zu Mittag essen. Das ist schon mehr, als die meisten Generationen vor uns hatten. Es ist sehr viel.“ Vielleicht erinnert sich die eine oder der andere: Mit diesen Worten des Juristen und Schriftstellers Ferdinand von Schirach wurde 2020 der 33. Neujahrsempfang des Landkreises Ammerland eingeleitet. Es war der letzte, an dem wir uns in Unkenntnis der nahen Zukunft und kurz bevor uns das Corona-Virus erreichte, so richtig unbekümmert freuen und entspannen konnten. Inzwischen sind drei Jahre vergangen, Jahre nicht enden wollender Krisen: So blieb der nette Italiener im Pandemie-Lockdown für Wochen geschlossen, und wir mussten ohnmächtig mitansehen, dass nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine innerhalb weniger Stunden die oft zitierte Zeitenwende erfolgte. Aber Krisen können sich auch als Chancen entpuppen, und so könnte sich die aktuelle Krise, die in vieler Hinsicht tiefgreifender und gefährlicher für unsere Gesellschaft ist als die vorangegangenen, auch als Ausgangspunkt einer gemeinsamen europäischen Zukunft mit mehr Zusammenhalt und nachhaltiger Wirtschaft erweisen. „Jetzt erst recht!“ könnte unser Motto lauten, und so sind der Ausbau von erneuerbaren Energien und die Energiewende – per se eng verbunden mit Klimaschutz – heute unsere Themen. ist mir ein Vergnügen, so viele Vertreterinnen und Vertreter der das Ammerland repräsentierenden Gruppen und Einrichtungen erstmalig als Gastgeberin begrüßen zu dürfen und ich freue mich auf inspirierende und entspannte Stunden in Ihrer Mitte. Angesichts des vorgesehenen Programms ist es hoffentlich in Ihrem Sinne, dass wir es so wie in den letzten Jahren handhaben und ich nur einige aus Ihren Reihen zur Begrüßung persönlich anspreche. Ich begrüße die Mitglieder des Deutschen Bundestages, des Niedersächsischen Landtages, den Ehrenkreistagsabgeordneten, die Bürgermeisterin, die Bürgermeister und die Ehrenbürgermeister der sechs Ammerländer Gemeinden/der Stadt. Ein besonderes Willkommen gilt unseren Freunden aus dem polnischen Partnerlandkreis Pleszew: Herrn Landrat Maciej Wasielewski und Kreistagsvorstandsmitglied sowie Kreistagsabgeordneten Herrn Marek Szewczyk. Herr Wasielewski wird Sie im Anschluss an meine Ansprache auch persönlich begrüßen.

Mein besonderer Gruß gilt den Vertreterinnen und Vertretern der Medien. Ich bedanke mich für die wertschätzende Berichterstattung im Jahre 2022 – verbunden mit dem Wunsch, dass Sie uns auch weiterhin so positiv begleiten mögen.

Die Schockwirkung der aktuellen Energiekrise ist enorm und hat uns die energiepolitischen Abhängigkeiten Deutschlands unmittelbar vor Augen geführt. Jetzt muss es vorrangig darum gehen, eine günstige, unabhängige und sichere Energieversorgung der Zukunft zu gestalten. Die Herausforderungen sind groß, die Anforderungen komplex – keine Frage! Umso wichtiger ist es, Hand in Hand Strategien zu entwickeln sie zu meistern. Eine wichtige Partnerin für uns ist die EWE AG, mit der wir vor einem dreiviertel Jahr die „Charta für den Klimaschutz“ auf den Weg gebracht haben. Darin verpflichten wir uns zur konsequenten Umsetzung von Maßnahmen für eine beschleunigte Energiewende, einen verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien und deutlich mehr Energieeffizienz unter dem Motto „Wir. Hier. Jetzt. Vor Ort.“ Der Unterzeichner auf Seiten des Energieversorgers Stefan Dohler, Vorstandsvorsitzender von EWE und ein bekennender „Energie-Enthusiast“, ist heute unser Festredner und ich freue mich auf seine Ausführungen zur „Energiekrise: Aktuelle Herausforderungen – Chancen und Perspektiven für das Ammerland“.

Aber wir haben noch weitere Gäste eingeladen, die – wie immer – thematisch mit dem Festvortrag verbunden sind: In diesem Jahr darf ich die Klimaschutzmanagerinnen und -manager der kreisangehörigen Gemeinden und der Stadt Westerstede sowie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Strategiegruppe des Klimamarktes Ammerland bei uns begrüßen.

Wir teilen mit unseren Kommunen die Erfahrung, dass wir gemeinsam stärker sind. Und so haben wir uns auch in dieser herausfordernden Situation an einen Tisch gesetzt und im Schulterschluss einen Maßnahmenkatalog zur Senkung des Energieverbrauchs beschlossen, der seitdem konsequent umgesetzt wird.

Aber der Landkreis beschäftigt sich mit den Themen Energieeffizienz, klimaneutrale Energieerzeugung und -nutzung nicht erst, seitdem Energie als politisches Druckmittel eingesetzt wird: Bereits vor zehn Jahren hat der Kreistag das Klimaschutz- und Energiekonzept beschlossen, das jährlich fortgeschrieben und auf seine Wirksamkeit hin evaluiert wurde. Für spezielle Klimaschutzmaßnahmen hat er seit 2021 jährlich 250.000 Euro zur Verfügung gestellt und diese Summe im vergangenen Jahr noch einmal um zusätzliche Mittel in Höhe von 325.000 Euro aufgestockt. Sie wurden eingesetzt, um auf den Dächern der kreiseigenen Einrichtungen der Berufsbildenden Schulen (BBS) Ammerland sowie dem Bildungs- und Beratungszentrum (BBZ) und der Kreisvolkshochschule in Westerstede weitere Photovoltaik-Anlagen zu installieren. Darüber hinaus wurde die Gesamtleistung der auf dem Dach des Kreishauses vorhandenen Anlage mit weiteren Modulen verdreifacht. Während bislang jährlich fast 3 000 Kilowattstunden in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden konnten, liegt der Schwerpunkt nun auf der Eigennutzung des erzeugten Solarstroms: Mit der solartechnisch optimal ausgerichteten Anlage können bis zu 85 Prozent des selbst erzeugten Stroms direkt für die Energiebedarfe in der Kreisverwaltung genutzt werden.

Auch mit energetischen Sanierungen konnten wir die Energieeffizienz deutlich verbessern: Die erneuerte Innenbeleuchtung der BBS erzielt eine achtzigprozentige Stromersparnis und mit der Modernisierung des Flachdaches konnte die Wärmedämmung für Trakt 5 verdoppelt werden. Aber viel bedeutendere Projekte und echte Meilensteine auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutrali-tät sind der Neubau des BBZ mit seinem vorbildlichen energetischen Standard einschließlich Blockheizkraftwerk, PV-Anlage und Stromspeicher sowie der Neubau des Behördenzentrums (BZW) in der Langen Straße mit PV-Anlage und einer Erdwärmepumpe.

Noch nicht klimaneutral, aber deutlich emissionsfreier ist zudem der Landkreis-Fuhrpark unterwegs: Von 29 Dienstwagen sind inzwischen fünf Elektrofahrzeuge, drei Erdgasfahrzeuge und vier Plug-in-Hybride. Darüber hinaus wurde die Ladeinfrastruktur ausgebaut: Für die kreiseigenen Dienstfahrzeuge wurden fünf E-Ladeboxen im Außenbereich installiert, die mit einem intelligenten System verbunden sind, das je nach Stromverfügbarkeit und Anzahl der angeschlossenen Fahrzeuge die Ladegeschwindigkeit und den Ladestrom steuert. Eine weitere öffentliche Ladesäule für Elektroautos wurde bereits im letzten Jahr vor dem Kreishaus in Betrieb genommen, sodass nun insgesamt vier öffentliche Ladepunkte auf dem Kreishausgrundstück zur Verfügung stehen.

Die äußerlich sichtbaren Signale setzen sich im Haus fort: Zum Beispiel ist in der Kreishaus-Kantine die Praxis der Einwegverpackungen durch ein Mehrwegsystem ersetzt worden und es wird auf die vorwiegende Verwendung regionaler Produkte geachtet; die Sitzungsvorlagen des Kreistages sind überwiegend papierlos.

Nicht nur beim Landkreis, sondern auch im Landkreis hat sich in Sachen Klimaschutz viel getan: Auch wenn Radlerinnen und Radlern im Ammerland inzwischen 2 000 Kilometer ausgewiesene Radwege zur Verfügung stehen, haben wir in den letzten Jahren die Radweginfrastruktur weiter optimiert und an acht Kreisstraßenabschnitten für rund zwölf Millionen Euro komplett neue Radwege gebaut; fünf Millionen Euro davon wurden aus dem Kreishaushalt zur Verfügung gestellt. Erst im Oktober hat der Kreistag den Ersatzbau des Radweges an der K114 zwischen Ihausen und Hollriede auf einer Länge von 3,5 Kilometern beschlossen und wird dafür Haushaltsmittel in Höhe von 3,5 Millionen Euro bereitstellen. Damit sind inzwischen deutlich über 80 Prozent aller Kreisstraßen im Landkreis Ammerland mit begleitenden Radwegen ausgestattet (bundesweit sind es übrigens nur 16 Prozent!). Im März-Kreistag 2022 wurde darüber hinaus entschieden, ein integriertes Radverkehrskonzept für den Landkreis Ammerland zu erstellen. Die Auftaktgespräche zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Kreisverwaltung und des beauftragten Büros haben mittlerweile stattgefunden; ein Konzept wird den Kreisgremien voraussichtlich bis Mitte 2023 vorgestellt.

Wir bleiben noch beim Thema Radfahren: Mit einem beachtlichen Platz 7 im Ranking der niedersächsischen Kommunen lag der Landkreis als „Neuling“ beim jährlichen STADTRADELN, überraschend weit vorn: Insgesamt haben dabei 2 619 Radelnde mit 160 Teams in 21 Tagen 521 845 Kilometer zurückgelegt und dabei den Ausstoß von 80 Tonnen CO2 vermieden: eine tolle Leistung!

Längst nicht alle haben die Möglichkeit, für den Klimaschutz aufs Fahrrad umzusatteln. Deshalb haben wir auch im Handlungsfeld Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) aufs Tempo gedrückt: Der Nahverkehrsplan (NVP) wurde fortgeschrieben und ist Anfang des Jahres in Kraft getreten. Er setzt auf den Ausbau des Fahrtenangebots und zusätzlich auf attraktive Tickets, um möglichst vielen den Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn schmackhaft zu machen oder zu erleichtern. An dieser Verkehrswende arbeiten wir seit einigen Jahren intensiv und gern erwähne ich, dass wir dafür vom Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN) immer wieder als leuchtendes Bespiel genannt werden. 2019 wurden die Gemeindezentren Rastede, Wiefelstede und Bad Zwischenahn halbstündlich statt wie bisher stündlich angebunden; Ende August wurde das Angebot der Buslinie 360, die zwischen Barßel, Ocholt und Westerstede verkehrt, mit einem durchgängigen Stundentakt verbessert. Jüngst – im Dezember 2022 – wurde das Fahrtenangebot der Buslinie S35 nochmals verdichtet. Jungen Menschen, die in Schule, Ausbildung oder Frei-willigendienst sind, bieten wir mit dem gut nachgefragten TIM-Ticket, die kostenfreie beziehungsweise stark vergünstigte Nutzung von Bussen und Bahnen. Und ab Mitte 2026 werden auch Busse mit alternativer Antriebstechnologie zum Einsatz kommen können, die mit Grünstrom beziehungsweise Grünem Wasserstoff betrieben werden. In Planung ist das Pendlerportal im neu gegründeten Amt für Umwelt und Klimaschutz, das der Landkreis mit seinen kreisangehörigen Gemeinden und der Stadt Westerstede finanzieren wird.

Kurz vor dem Start steht das Solar- und Gründachkataster, das als wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Energiewende gilt: Auch Ammerländerinnen und Ammerländer können sich dann online darüber informieren, ob das eigene Dach für die Installation einer Photovoltaik- beziehungsweise Solaranlage oder für eine Begrünung geeignet ist. Mit wenigen Klicks lassen sich der potenzielle Stromertrag, die Amortisationsdauer und der individuelle Autarkiegrad für die Installation einer Photovoltaikanlage berechnen.

Daneben wurde auch die Ressource Wind durch Messungen und Modellberechnungen bilanziert und aussagekräftig im Rahmen der Windpotenzialstudie dargestellt. Auf den für Windenenergienutzung geeigneten Flächen hatten die notwendigen Brutvogelkartierungen bereits stattgefunden, und Landkreis, Stadt und Gemeinden hatten sich im Zuge dessen auf einen gemeinsamen Weg verständigt. Dann hat das Land mit dem neuen Wind-an-Land-Gesetz den – ich zitiere – „Turbo gezündet“ (Umweltminister Christian Meyer): Nach Vorgaben des Bundes muss Niedersachsen bis Ende 2027 1,7 Prozent und bis Ende 2032 2,2 Prozent seiner Landesfläche in rechtsgültigen Plänen für die Windenergie zur Verfügung gestellt haben. Diese Werte wird das Land an seine Träger der Regionalplanung weitergeben und ermittelt aktuell Verteilungsschlüssel. Wenn wir den Wert für das Ammerland im Frühjahr 2023 vom Land erhalten, können wir prüfen, inwieweit wir mit dem aktuellen Stand unserer Studie die Vorgaben des Landes erfüllen. Vermutlich werden noch kleinere Überarbeitungen notwendig sein, um die neuen Flächenwerte erfüllen zu können.

Für den Umweltschutz und im Kampf gegen den Klimawandel haben wir noch ein weiters Ass im Ärmel: den Schutz unserer zahlreichen Moore. Moorgebiete haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie über Jahrtausende Kohlenstoff binden konnten und somit entscheidend dazu beigetragen haben, den CO2-Gehalt in der Atmosphäre auf einem gesunden Niveau zu halten. Und wenn es uns gelingt, diese enorme Speicherkapazität wieder zu aktivieren, haben wir letztlich einen ganz großen Verbündeten im Kampf gegen die Klimakrise. Deshalb haben wir für die Durchführung von Machbarkeitsstudien für die Wiedervernässung in den Bereichen Moorkamp (Süddorf) und Heiddeich (Hankhauser Moor) 34.000 Euro eingeplant.

Darüber hinaus ist die Kooperation „Zukunftsregion4Klima“ der Landkreise Ammerland, Cloppenburg, Oldenburg und Vechta - mit Fördermitteln des Landes Niedersachsen in Höhe von fast fünf Millionen Euro – an den Start gegangen. Ihre Aufgabe ist die Wiedervernässung und Prüfung alternativer Nutzungen für entwässerte Moore, Klimaresilienz in Wald, Garten und Landwirtschaft, Regenwasserrückhaltung und Wasserspeicherung, dazu darüber hinaus soll die Region als Zentrum für Umweltbildung sowie Öko- und Naturtourismus ausgebaut werden.

Dazu passen die Pläne des Parks der Gärten, einen neuen Musterpark für Klimaschutz anzulegen, der den zentralen Baustein des Tourismusprojekts „Grüne Kompetenz für Gärten im Klimawandel“ bilden wird. Die Grundidee dafür ist, dass Menschen, deren Gärten am Klima leiden, hier kompetente Unterstützung zur Umrüstung ihrer grünen Oasen erhalten. Ein spannendes Projekt, das dazu beitragen wird, den Park der Gärten, der bereits im letzten Jahr einen Besucherrekord (181 500) erzielen konnte und in diesem Jahr in seine zwanzigste Saison startet, noch attraktiver zu machen.

Attraktiv für unsere Unternehmen wird hoffentlich ein in Planung befindliches Angebot unserer Wirtschaftsförderung sein, mit dem unter anderem Beratungen und Investitionen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung unterstützt werden. Ziel ist es, einen Mehrwert zu schaffen und Unternehmerinnen und Unternehmer gezielt auf dem Weg in die Klimaneutralität zu begleiten. Dafür soll die gemeinsam mit den kreisangehörigen Gemeinden und der Stadt Westerstede beschlossenen Richtlinie zur Förderung der kleinen und mittelgroßen Unternehmen im Ammerland erweitert werden.

Und noch eine weitere gute Nachricht: Wir freuen uns, dass wir die Riege der Klimaschutzmanagerinnen und Klimaschutzmanager mit einer Neueinstellung beim Landkreis bereichern können. Damit werden wir den kommunalen Klimaschutz über die Stadt- und Gemeindegrenzen hinaus verbreiten und vorantreiben. Klimaschutz ist jedoch nicht nur Aufgabe von Politik, Verwaltung oder der Klimaschutzmanagerin, sondern die Aufgabe aller. Weniger Auto fahren, seltener Fleisch essen, Strom sparen, bewusster einkaufen, Müll vermeiden: Jede und jeder kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten!

Dass der Landkreis-Beitrag zum Klimaschutz mehr Haushaltsmittel erforderlich macht, konnten Sie meinem Beitrag bereits entnehmen. Daneben hatten wir noch immer mit den Folgen der Coronapandemie zu kämpfen, unter anderem mit steigenden Personal- und Versorgungsaufwendungen, als uns schon die Energiekrise kalt erwischte: Explodierende Energiekosten, Lieferengpässe und Inflation ließen insbesondere die Kosten von Sanierungs- und Bauvorhaben durch die Decke schießen. Zudem ergaben sich wie bereits in den Vorjahren beträchtliche Mehranforderungen in den Arbeits-, Sozial- und Jugendhilfeetats, zum einen bedingt durch die Folgen der Corona-Pandemie, zum anderen aber auch durch die Zunahme der Fallzahlen sowie der gesetzlichen Leistungsansprüche und Preissteigerungen. Eine Ursache für den erwarteten Anstieg der Leistungsfälle ist die Zunahme der Vertriebenen aus der Ukraine sowie von Menschen, die hier Asyl suchen. Da die weitere Unterbringung auf dem freien Wohnungsmarkt nicht mehr möglich ist, müssen wir Unterkünfte auf eigene Kosten einrichten und vorhalten. Dazu kommen die Aufwendungen für den ÖPNV und die Digitalisierung. So ist es trotz einer guten gemeindlichen Steuerkraft, steigenden Schlüsselzuweisungen vom Land und der absoluten Zunahme der Kreisumlage bei einem unveränderten Kreisumlagehebesatz für das Haushaltsjahr 2023 nicht gelungen, diese Mehrbedarfe über die Ertragsseite zu kompensieren. Mit dem Planergebnis von -7,2 Millionen Euro bewegt sich der Landkreis deutlich unter dem Planniveau des Vorjahres (-1,8 Mio. Euro). Dieser Fehlbedarf ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass es zum Zeitpunkt der Aufstellung des Haushaltsplanes für die vom Landkreis vorzuhaltenden Unterkünfte für die Geflüchteten und deren Versorgung keine adäquate Kostenerstattung vom Land und/oder Bund gab. Inzwischen gibt es aber erfreulicherweise deutliche Signale des Landes, dass den Kommunen weitere Hilfen gewährt werden.

Für den weiteren Erhalt und die Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit des Landkreises sind in den nächsten Jahren umfangreiche und ausgabenintensive Investitionen in die kommunale Infrastruktur notwendig. Breitbandversorgung, Verkehrsanlagen, Technische Zentrale sowie Schullandschaft müssen an die wachsenden Bedarfe angepasst werden. Folgerichtig ergibt sich in 2023 mit 37,4 Millionen Euro ein weiterhin sehr hohes Investitionsvolumen. Die sehr hohen Investitionen der nächsten Jahre werden wir priorisieren und über den Zeitraum der Finanzplanung hinaus verteilen müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen. Nicht zufällig setzt sich das zurzeit sehr strapazierte Wort „Krise“ im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen – das eine bedeutet Gefahr, das andere Gelegenheit. Und genau das bringt es auch für uns symbolisch auf den Punkt. Ja, wir sind derzeit in einer multiplen Krisensituation. Und ja, wir werden noch einen langen Atem brauchen. Aber nein, wir sind nicht entmutigt, und ich bin zuversichtlich, dass uns die Erfahrung der energiepolitischen Erpressbarkeit am Ende hilft, die Energie- und Klimawende so schnell und entschlossen wie irgend möglich voranzutreiben. Wir konnten auf diesem Weg bereits einige Meilensteine setzen, und ich nehme in vielen Bereichen wahr, dass durch den starken Gegenwind unsere Gemeinschaft sowie Zusammenarbeit gestärkt wurden und der Zusammenhalt in unserem Landkreis eher noch gewachsen ist. Es ist also immer noch so viel, was wir haben und was uns in guten und schlechten Zeiten verbindet!

In diesem Sinne freue ich mich ganz besonders auf unsere Gespräche im Anschluss. Ich wünsche Ihnen ein friedliches und nachhaltiges neues Jahr und dass sich die Erwartungen, die Sie an 2023 knüpfen, verwirklichen lassen und sich all Ihre Hoffnungen erfüllen!